An einem schönen Oktobertag machten wir mit unserem roten ‹Döschwo› eine kleine Ausfahrt ins Hinterland. Wir fuhren bis in die Berge und hielten bei einem kleinen Restaurant an, wo mein Begleiter sich ein Bier gönnte, ich trank eine Schokolade. Wir sassen eine Weile auf der sonnigen Terrasse des Lokals und fuhren dann wieder zurück, Richtung Küste. Ausser uns schien niemand unterwegs zu sein, es war ausserhalb der Saison, und in der Gegend befinden sich keine grösseren Ortschaften. Die Strasse führte ziemlich stark abwärts in eine grosse Kurve, und dort standen sie. Etwa fünfzehn junge Polizisten und ein kräftiger, grosser Mann in einer etwas anderen Uniform, offenbar deren Vorgesetzter. Mit einer gebieterischen Handbewegung wurden wir an die Seite befohlen und mussten anhalten. Der Chef kam mit betont lässigen Schritten auf unser Auto zu und grüsste stramm mit der Hand an seiner Mütze. Ich klappte das Fenster des Döschwo auf, welches sich nach aussen öffnet und konnte gerade noch vermeiden, es dem Herrn an den Bauch zu drücken.
"Bonjour Madame, Monsieur! Wir führen eine Kontrolle durch; meine jungen Kollegen sollen lernen, wie sie sich in einem solchen Fall zu verhalten haben!" Ich grüsste zurück und nickte verständnisvoll. Daraufhin scharten sich die jungen Herren um unser Auto wie die Küken um ihre Glucke und schauten interessiert zu.
"Ihre Papiere bitte! Haben Sie getrunken?", fragte der Chef mit lauter, energischer Stimme. "Non Monsieur", antwortete ich höflich, "ich hatte eine warme Schokolade, mein Begleiter ein Bier, aber er fährt ja nicht." Der Chef legte den Kopf schief und fragte nach: "Eine Schokolade?!". Er wirkte entsetzt, wie kann man in Südfrankreich mittags eine Schokolade trinken? Man trinkt ‹Pastis› oder ein Glas Rosé, aber keine Schokolade! Ich fand langsam Gefallen an der Situation und bliebt betont ruhig, während ich ihm die Wagenpapiere und meinen Fahrausweis entgegenhielt. Mein Begleiter murmelte etwas, das wie "blöde Siech!" klang; ich zischte durch die Zähne zu ihm hinüber "Halt' Dich da raus!" Es war nicht das erste Mal, dass wir im Süden einem Elsässer Gendarmen oder Zöllner, begegnet waren, der sich dorthin hatte versetzen lassen, und ich wollte nicht riskieren, dass der strenge Chef schweizerdeutsch verstehen könnte.
Dieser hatte unterdessen die Wagenpapiere studiert und meinen Fahrausweis. "Warum haben Sie die Fahrprüfung in der Schweiz gemacht?", fragte er mit einem Stirnrunzeln. "Ich bin Schweizerin und lebe erst seit zehn Jahren hier im Midi." Oje, das war nicht gut. Eine Schweizerin, die über Mittag Schokolade trinkt und einen Döschwo fährt, das Kultfahrzeug der Franzosen...
"In diesem Fall muss ich noch Ihren Pass sehen und Sie bitten, auszusteigen!" Die Küken reckten ihre Hälse; was war da los?
Ich stieg betont langsam aus und deutete auf die Rückbank: "Mein Ausweis befindet sich in der Handtasche auf dem Rücksitz, darf ich hineingreifen?" Der Chef nickte knapp, trat einen Schritt zurück und legte die Hand auf sein Pistolenhalfter.
"Messieurs, in einem solchen Fall muss einer von ihnen sichern, während der andere die zu kontrollierende Person beobachtet!", gab der Chef seine Instruktionen. Fünfzehn Hände zuckten zu den Halftern – ich fand die Situation nicht mehr so entspannend. Vorsichtig holte ich meine Identitätskarte heraus und hielt sie dem Chef hin. Er schüttelte den Kopf, griff – nein, nicht an die Pistole, sondern in seine Brusttasche – und zückte eine Lesebrille. "Die sind aber klein, Ihre Identitätskarten", mäkelte er und bemühte sich, meine Personalien zu entziffern. Schliesslich gab er mir meine Karte zurück und forderte mich auf, wieder einzusteigen. "Wir prüfen nun die Fahrtüchtigkeit Ihres Fahrzeugs", verkündete er mit lauter Stimme. "Vous, vous et vous", wandte er sich an die Kükenschar, "gehen Sie nach hinten und kontrollieren Sie, ob die Lichter funktionieren". Vier andere wurden abkommandiert, die Qualität unserer Reifen zu prüfen, vier andere mussten sich vor das Auto stellen und diese Beleuchtungteile kontrollieren. Gehorsam führte ich die Befehle aus: blinken, bremsen, Abblendlicht einschalten, Schweinwerfer.
"Und wo ist Ihr Pannen-Dreieck?" Ich griff – wieder langsam und sorgfältig – unter meinen Sitz und holte das graue Plastik-Etui mit dem Pannen-Dreieck hervor. "Die Steuervignette?" Ich deutete auf den Kleber auf der Windschutzscheibe hinter dem Rückspiegel, dann auf das kleine Etui, das auf der Beifahrerseite ebenfalls an der Innenseite der Scheibe geklebt war. "Hier ist auch der grüne Versicherungsausweis", erklärte ich, worauf der Chef um das Auto herum ging und mit aufgesetzter Brille das kleine Zettelchen konsultierte. "Die läuft in einem Monat aus, die müssen Sie rechtzeitig erneuern", klärte er mich auf. Ich nickte gehorsam und hörte wieder ein leises "E son e dumme Siech!"
"Wie bitte??!!" fragte der Chef und wippte auf den Zehenspitzen. "Bitte entschuldigen Sie, mein Begleiter spricht nicht so gut französisch, er hat mich gefragt, ob alles in Ordnung sei", erklärte ich hastig.
"Das wird sich zeigen", sagte der Chef und blickte enttäuscht auf seine Küken, die ihm meldeten, dass alle Lichter und auch die Pneus in Ordnung seien.
"Wir kommen nun zum Alkohol-Test", erklärte er und winkte einen der jungen Männer zu sich heran. Dieser zückte mit hochrotem Kopf ein Teströhrchen und hielt es mir hin.
Ich blickte verwirrt und fragte: "Was muss ich damit tun? Ich habe noch nie einen Alkoholtest absolviert..."
"Sie müssen es auspacken und der Dame erklären, was sie zu tun hat", blaffte der Chef den jungen Polizisten an. Mit zittrigen Händen wurde das Röhrchen aus seiner Folie befreit und mir hingehalten. "Sie müssen hier hineinblasen", flüsterte der Jüngling. "So versteht Sie kein Mensch! Sprechen Sie laut und deutlich, und sagen Sie Madame, sie müsse fest hineinblasen, sonst funktioniert es nicht!" kam der energische Befehl des Chefs. Der Angesprochene räusperte sich, hüstelte und sagte ein bisschen lauter: "Bitte blasen Sie hier hinein, fest!"
Ich packe das Röhrchen und pustete so fest, wie ich konnte, dann gab ich das Ding zurück. Chef und Jüngling blickten interessiert darauf, dann schüttelten sie die Köpfe. "Nichts!"
"Sie haben nicht fest genug geblasen", kritisierte der Chef und wies einen zweiten jungen Mann an, die Prozedur zu wiederholen. Wieder blies ich, so fest ich konnte, bis mir beinahe die Augen aus dem Kopf traten. Wieder nichts.
"Sie haben wirklich eine Schokolade getrunken?", fragte der Chef nochmals. Ich nickte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. "Das scheint zu stimmen", meinte er frustriert. "Sie können weiterfahren".