Annegreth Eggenberg
Schützenstube
Schaffhausen





«Ich habe schon immer ‹Nose-to-tail› und mit Kräutern gekocht, bevor man das so nannte. Meine Mutter besass ein Büchlein über Wildgemüse, das habe ich regelrecht verschlungen.»

Annegreth Eggenberg
Schützenstube
Schaffhausen





«Ich habe schon immer ‹Nose-to-tail› und mit Kräutern gekocht, bevor man das so nannte. Meine Mutter besass ein Büchlein über Wildgemüse, das habe ich regelrecht verschlungen.»

Annegreth Eggenbergs Leben hat mehrere Wendungen genommen, bevor sie – zusammen mit ihrer Partnerin Anita Schwegler – die ‹Schützenstube› übernahm. Aufgewachsen ist sie mit drei Geschwistern in einer Künstler/Lehrer-Familie in Bümplitz. Der Vater war Künstler und Zeichenlehrer, die Mutter Lehrerin, «da wurde man mindestens Kindergärtnerin, wenn man alles richtig machen wollte. Kochen war für mich zuhause kein Thema, denn meine Mutter war eine wunderbare Köchin, die mich nie an den Herd liess. So kletterte ich lieber auf den Apfelbaum, ass die Äpfel und fand das wunderbar. Eigentlich wäre ich damals am liebsten Indianerin geworden. Doch da dies nicht ging und mir nichts anderes in den Sinn kam, wurde ich Kindergärtnerin.»

Doch aus dem Lehren wurde ein Lernen, sie ging an die Dimitri-Schule und von dort drei Jahre in die Tanz- und Bewegungstheaterschule in Zürich. «Bevor ich die Theaterschule besuchen konnte, absolvierte ich ein diakonisches Jahr und arbeitete als Zimmermädchen in einem Männerheim der Heilsarmee. Der Koch war Alkoholiker, er vergriff sich am Kochwein und wurde rausgeworfen. So übernahm ich quasi von einem Tag auf den andern als Quereinsteigerin die Küche und verpflegte rund fünfzig Personen am Tag. Nach der Theaterschule brauchte ich Geld, ich fragte ‹stinkfräch› im Opernhaus und im Schauspielhaus Zürich, ob sie jemanden als Bühnenarbeiterin brauchen könnten. Im Schauspielhaus haben sie mich genommen, und ich bin schon ein wenig stolz, dass ich die erste Frau in der Schweiz war, die Kulissen schob.» Weitere Stationen waren die Gassenküche, die Notschlafstelle und eine Genossenschaftsbeiz in Schaffhausen und schliesslich, bereits vor 22 Jahren, das erste vegetarische Restaurant von Schaffhausen. «‹Ich ha immer das gmacht, was mi grad gluschtet het, was z vorderscht gsi isch.› Ich war immer neugierig, und ich habe das Gefühl, viele Projekte, die ich gemacht habe, wurden ein, zwei Jahre später plötzlich ‹in›. Es gibt gewisse Trends, die einfach plötzlich irgendwo ‹aufploppen›, das finde ich sehr spannend.»

Annegreth Eggenberg ist seit 2018 Mitglied der ‹Gilde Restaurants› und trägt das Label ‹Naturpark Wirt›. Sie bezieht alles, was möglich ist, aus der Region wie auch pasteurisierte, aber nicht homogenisierte Kuhmilch und Käse direkt vom Bauernhof, Demeter-Eier und -Quark, hausgemachte Naturpark-Glacés und vieles mehr. Ferner gehört sie zur ‹Allianz der Köche, Slow Food Schweiz›. «Ich habe schon immer ‹Nose-to-tail› und mit Kräutern gekocht, bevor man das so nannte. Meine Mutter besass ein Büchlein über Wildgemüse, das habe ich regelrecht verschlungen. Als ich anfing, Wildgemüse zu verarbeiten, wusste ich noch nichts vom ‹Chrüter-Oski›. Ich war 1989 die erste in Schaffhausen, die Bärlauch in der Küche einsetzte oder Kohldistel. Damals waren die Gäste des Genossenschaftsrestaurants recht offen für solche Produkte. Auch heute serviere ich gerne Ungewöhnliches: Während des Schaf-hauser Gourmetfestivals habe ich als Hauptgericht ein Schmortöpfchen gekocht. Darin war Ochsenschwanz, Leistenfleisch, Rindsbäggli und – sehr fein, dezent mit Lebkuchengewürz abgeschmeckt – Rinderherz. Die Leute liebten es und sprachen mich häufig darauf an. Wenn ich aber sagte, es sei Herz drin, war zwar eine Person richtig schockiert, die anderen nahmen es jedoch erstaunlich gelassen. Bewusst hätten sie so etwas sicher nie probiert, und dabei hat Herz eine tolle Textur, das ist ein wunderbares Fleisch. In der Schweiz wird es zu Hundefutter verarbeitet, das ist doch ein Hohn.»

Das Tollste an ihrem Beruf als Köchin ist die Kreativität. Und die körperliche Bewegung, dass man nicht an einem Pult sitzt. «Ich mag auch den positiven Stress, das Adrenalin. Den negativen Stress brauche ich nicht, wenn es dann anfängt zu dampfen, zu überkochen, dann passieren Fehler. Aber das ist das Leben.»

Ihr Lieblingsgericht ist «das, was vor meiner Nase liegt. Ich bin sehr saisonal, passe mich aber ein bisschen den Gästen an. Nach den Frühlingsferien gibt es Tomaten oder Zucchetti, vorher einfach nicht. Ich verwende keine industriellen Fertigprodukte, aber sonst bin ich offen für vieles. Ich habe auch einmal Heugümper probiert, aber das ist nicht gut angekommen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit kaufe ich keine Meerfische, es kommen höchstens Flussforellen aus Schweizer Zucht in Frage.»

Auf der Bühne der Schützenstube finden jährlich während drei Monaten Variété-Vorstellungen statt, die mit einem Essen abgeschlossen werden. «Nina, Masha und Samuel Dimitri und andere Absolventen der Dimitrischule treten bei uns auf und so schliesst sich für mich der Kreis. Wenn die Gäste hereinkommen, nehmen wir die Bestellungen auf; rund die Hälfte der Besucher bleibt nach dem Variété zum Essen, es gibt zwei Menüs, Vorspeise und Dessert. Während die Artisten auf der Bühne jonglieren, zaubern oder Akrobatik vorführen, sind wir hinten in der Küche am Rotieren. Das Menü richtet sich immer nach dem Motto des Variétés, dieses Jahr war es ‹Amerika›, somit biete ich leckeres ‹pulled pork›, ‹baked potatoes› und eine Spezialität aus dem Bayou an. Italien ist natürlich spannend oder Frankreich.»

Bei einem solchen Engagement bleibt nicht viel Freizeit. «Da gibt es eigentlich nur schaffen und schlafen. Nach dem Mittagsservice mache ich ein Nickerchen, das ist wichtig, damit ich abends wieder fit bin. Am Wochenende kümmere ich mich um meinen Garten. Wir haben ein Haus mit einem riesigen Garten, in dem wir Permakultur betreiben. Dabei geht es darum, dass man zuerst beobachtet, was an dem Standort, wo man sich befindet, überhaupt wächst, was dort heimisch ist, wie die Sonneneinstrahlung ist. Und erst dann pflanzt man. Ich habe zum Beispiel ‹wilde› Tomaten, die sich von irgendwoher versamt haben. Ich werde in zwei, drei Jahren mit dem Restaurant aufhören. Dann würde ich gerne Kochkurse im Zusammenhang mit Permakultur geben, das fasziniert mich.»