Laurent Garrigues
Au Renfort de Sézegnin
Sézegnin/GE





«Das Schönste am Kochen ist die Verbindung zwischen dem Kopf und den Händen. Es sind die Handgriffe, die speziell sind – egal, auf welchem Niveau man kocht –, die Geschicklichkeit und die Präzision. Das ist es, was zählt.»

Laurent Garrigues
Au Renfort de Sézegnin
Sézegnin/GE





«Das Schönste am Kochen ist die Verbindung zwischen dem Kopf und den Händen. Es sind die Handgriffe, die speziell sind – egal, auf welchem Niveau man kocht –, die Geschicklichkeit und die Präzision. Das ist es, was zählt.»

Den Weiler Sézegnin kennen selbst viele Einheimische nicht; er liegt am äussersten südwestlichen Zipfel des Kantons Genf, inmitten von Feldern und Gärten, keine 300 m von der französischen Grenze entfernt. Die Bezeichnung ‹Le Renfort› (die Verstärkung) erhielt der Ort durch eine kleine Anekdote: Im Jahr 1602 wollten drei Einwohner von Sézegnin den Genfern zu Hilfe eilen, die durch die Savoyarden angegriffen wurden. Sie marschierten mit Sense und Heugabel los, machten jedoch an verschiedenen Orten Rast, um sich zu stärken. Als sie endlich vor den Toren Genfs angekommen waren, hatten die Genfer den Angriff längst abgewehrt und lachten die betrunkenen Bauern aus, die einen Tag zu spät kamen. So zogen diese wieder ab und verpflegten sich auf dem Heimweg im heutigen ‹Renfort de Sézegnin›. Laurent Garrigues und seine Frau Martine führen das Restaurant seit 1997. Es ist vor allem für seine ‹Ardoises› bekannt, Schiefertafeln, auf denen Fleisch, Fisch oder Gemüse serviert wird. Doch wie sind die beiden zu diesem Restaurant gekommen, in einer Gegend, wo sich Fuchs und Hase ‹gute Nacht› sagen?

Das ist eine nicht ganz kurze Geschichte: Laurent Garrigues wuchs in Bordeaux in einfachen Verhältnissen auf. In seiner Familie war das Essen jedoch immer sehr wichtig, und die Mahlzeiten bildeten den Mittelpunkt des Geschehens. So war es für ihn klar, dass er Koch werden wollte. Nach dem Besuch einer Kochschule in Bordeaux arbeitete er im Hilton Paris. Er wäre gerne in den Fernen Osten gereist, Singapur, Hongkong, das hätte ihn gereizt. Doch man sagte ihm, mit 19 Jahren sei er viel zu jung dafür. «Ich verlor die Geduld, ging zurück in die Heimatregion, nach Pessac, und arbeitete dort im Restaurant ‹La Réserve›. Es hatte damals gerade seinen zweiten Michelin-Stern bekommen. Vermutlich war dies, nebst der Lage in einem klassischen Rebgebiet, der Grund, dass dort immer wieder Angestellte der Mövenpick-Gruppe ein Praktikum absolvierten, um die gehobene französische Gastronomie und speziell die ‹nouvelle cuisine› kennenzulernen. Nach einer gewissen Zeit beschloss die Mövenpick-Direktion, lieber einen Koch in die Schweiz zu holen und fragte, ob jemand von den Köchen dazu bereit sei. Ich hob sofort den Finger und wurde ausgewählt. So reiste ich mit einem Jahresvertrag in die Schweiz, ich war 23 Jahre alt und total gespannt, was mich erwarten würde. Zuerst blieb ich ein paar Tage in Zürich, dann ging es für rund sechs Wochen nach Lausanne und schliesslich nach Genf. Dort war ich für die Restaurants der Mövenpick-Fusterie Gruppe ‹Barons Mouette› verantwortlich und half bei der Einführung der französischen Gastronomie. So landete ich ‹au lieu des chinois chez les genevois› – statt bei den Chinesen bei den Genfern. Nach fast drei Jahren machte ich mich selbständig und eröffnete ein kleines Restaurant in Genf. Ein schwerer Autounfall verunmöglichte es mir jedoch, als Koch weiterzuarbeiten, ich hatte mehrere Knochenbrüche und konnte nicht mehr so lange stehen.»

Laurent Garrigues blieb jedoch nicht untätig, er zog eine Firma auf, die Produkte aus dem Südwesten Frankreichs importierte, wie Foie Gras, Entenbrustfilets, Armagnac und anderes mehr. Das Geschäft lief lange Zeit sehr gut, er führte 14-tägige Gastronomiewochen durch, wo er in verschiedenen Restaurants Spezialitäten wie ‹Cassoulet› oder ‹Magret de Canard› kochte, unter anderem im ‹Beau Rivage› in Lausanne. Während über drei Jahren konnte er zudem als Berater alle Speisekarten für das ‹Beau Rivage› entwickeln. «Das war für mich eine ausserordentliche Erfahrung, das hat mich geprägt.» Die Golfkrise brachte ein abruptes Ende seiner Geschäftsaktivitäten. «Doch ich hatte wieder Glück, denn ich lernte Martine kennen, meine Ehefrau. Sie kommt auch aus der Gastronomie, und so konnten wir als Ehepaar in Genf das Restaurant ‹Les Vieux Grenadiers› übernehmen, das wir rund vier Jahre führten. Danach suchten wir ein Restaurant, das uns gehören sollte und nicht zu gross war, denn ich war noch immer von meinem Unfall gezeichnet. Wir beauftragten einen Agenten, der etwas Passendes finden sollte. Als er sagte, er habe etwas in Sézegnin, hatte ich keine Ahnung, wo das war, obwohl ich Genf damals schon gut kannte. Er gab uns die Adresse und wir fuhren los. Als wir jedoch immer tiefer ins Genfer Hinterland kamen und schliesslich auf einem kleinen Strässchen landeten, kehrten wir um. Ich bin ein Städter, das war für mich viel zu weit weg vom Zentrum. Der Agent rief wieder an und überredete uns, es doch nochmals zu versuchen. So fuhren wir zum zweiten Mal in die Gegend, landeten auf einem Strässchen auf der anderen Seite des Weilers und kehrten wieder um. Für mich war das ein Albtraum! Schliesslich fuhren wir ein drittes Mal hin, begrüssten den Besitzer und entschuldigten uns. Er war sehr nett und gerne bereit, uns das Restaurant zu übergeben. Er hatte jedoch eine Bedingung: Wir müssten die Schiefertafeln, die schon sein Vorgänger eingeführt hatte, weiterhin anbieten. Wir hätten dadurch schon einen Kundenstamm, der extra deswegen ins Restaurant käme. Diese Schiefertafeln waren zwar nicht das, was wir uns erwünscht hatten, doch meine Frau und ich waren bereits über vierzig Jahre alt und nicht mehr so starrköpfig wie früher. Wir nickten uns zu und akzeptierten die Bedingung.»

Und so serviert Laurent Garrigues seit über 25 Jahren (unter anderem) Gerichte auf Schiefertafeln. Nach einiger Zeit liess er eine neue Variante designen, mit einer heissen Platte und einem warmen Bereich. Und das Angebot wurde erweitert mit Fisch, Geflügel und Gemüse.

Der Küchenchef ist heute 67 Jahre alt; wie lange bleibt er noch ‹Le Grand Chef›? «Das weiss ich noch nicht, ich spüre gewisse Zeichen von Schwäche, aber es ist nicht leicht, loszulassen. Meine Tochter wird das Restaurant übernehmen, sie hat einen Fähigkeitsausweis als Koch, einen als Pâtissière und einen als Diätköchin. Sie ist also bestens ausgebildet und kann auf alle Bedürfnisse unserer Kunden eingehen, von Fleischküche über vegetarische oder vegane Gerichte bis zu speziellen Diätspeisen. Für mich war es immer wichtig, eine konstante Qualität zu bieten. Das schönste am Kochen ist die Verbindung zwischen dem Kopf und den Händen. Es sind die Handgriffe, die speziell sind – egal, auf welchem Niveau man kocht –, die Geschicklichkeit und die Präzision. Das ist es, was zählt. Und natürlich die Leidenschaft!»